Fernsehbeitrag bei Galileo ProSieben vom 31.01.2014

Der Dreh

Die Nacht war kurz. Viel zu kurz. Noch nie fiel es mir schwerer, mich aus dem warmen Weich des Betts zu schälen. Der Wecker klingelte schon seit einer Stunde in regelmäßigen Abständen. Snooze. Welchem Gutmenschen hatten wir diese wundervoll teuflische Funktion wohl zu verdanken?

Nichtsdestotrotz mussten wir den Tag angehen. Wirklich geschlafen hatte keiner von uns beiden. Die Aufregung saß bereits zu tief in den Knochen. Wir hatten keine Vorstellung davon, wie die Dreharbeiten ablaufen oder auf was für Menschen wir treffen würden. So viele Dinge standen in den Sternen und niemand hatte sie uns aufgeschrieben. Viele Dinge, ja, aber nicht unsere Fotos. Denn schon am Abend zuvor hatten wir uns die Location genauer angesehen und probeweise Bilder aufgenommen, damit am Tag darauf alles perfekt werden würde. Wir wollten, nein, konnten einfach nichts dem Zufall überlassen. Alles andere konnte schiefgehen, außer unserer eigentlichen Arbeit.

Übermüdet und durch das aufkeimende Adrenalin dennoch aufgeputscht starteten wir zum Lost Place. Draußen war eine interessante Stimmung. Der Himmel war wolkenbehangen, die Temperaturen ließen uns nach einem Tropensommer sehnen und der Wind peitschte ins Gesicht, während wir das Auto beluden und dann schließlich losfuhren. Es begann sogar zu regnen, aber es hätte genauso gut hellster Sonnenschein durch die Scheiben knallen können. Gedanklich waren wir schon längst dabei, alles vorzubereiten und uns die schlimmsten Szenarien auszumalen, sobald die Kamera auf uns gerichtet sein würde. Versprechen, stolpern, in Hundekacke laufen, gegen das Equipment stoßen — wie lief so ein verdammter Dreh überhaupt ab?

Die Aufregung legte sich etwas, als das Drehteam sich verspätete. Daniel, der Redakteur, war zwar so freundlich, vorher anzurufen, aber trotzdem war zunächst die Luft raus. Nicht nur, weil auch wir uns verspätet hatten und uns plötzlich ein klitzekleiner großer Stein vom Herzen fiel. Doch als aus einer erwarteten halben Stunde fast eine volle wurde, begannen die Finger wieder zu kribbeln und Stille breitete sich im Auto aus. Was wäre wenn-Fragen schwirrten erneut in unseren Köpfen, auch wenn keiner von uns es zugeben wollte.

Das alles rettende Klingeln von Olafs Handy brachte Bewegung in die Situation. Das Drehteam war da und es würde bald losgehen.

Neben Daniel durften wir die Tonfrau Miriam und den Kameramann Ralf in unserem mittlerweile ach so heimisch gewordenen Lost Place begrüßen. Während wir unser Equipment ausluden und wie gewohnt ausbreiteten, stellte sich heraus, dass die Drei nur unwesentlich weniger Technik dabei hatten als wir und bei ihnen so einiges beeindruckender aussah. Aber hey, würden wir unseren Kram auch gestellt bekommen, wären wir schon längst auf imposantere Lichttechnik und ein größeres Auto umgestiegen.

Nachdem wir mit Mikrofonen verkabelt wurden, waren die ersten Stunden für uns eher unspektakulär und routinemäßig. Wir bastelten die Vorrichtungen, die wir später für das erste Bild brauchten, und gingen zum wiederholten Mal die Halle ab. Niemand mag Überraschungen, wenn es plötzlich ernst wird. In der Zeit machte die Filmcrew bereits Außen- und Innenaufnahmen am Gebäude und stieß später hinzu, um einige Fragen zum Equipment loszuwerden und ein erstes kurzes Interview zu filmen. Das war die Befragung, die später im Beitrag als erste eingeblendet würde.Das erste Testbild von Outburst.

Sobald es dämmerte, begannen wir mit der Aufstellung der Kamera und festen Lichteinheiten. Für uns war das eigentlich nichts Außergewöhnliches, allerdings wurde es zu etwas Besonderem gemacht, weil man ständig ein Anhängsel bei sich hatte. Die Kamera war zu jeder Zeit angeschaltet und Ralf verfolgte jeden unserer Schritte. So viel zum eigentlichen Ablauf der Bilderstellung. Lustig aber auch interessant wurde es erst, als die berühmte Bitte aufkam:

„Tut doch einmal so, als würdet ihr gerade [fill in the blank].“

Diese Phrase würde an dem Abend noch öfter fallen und mit jedem Mal wurde mir klarer, dass es für mich wesentlich einfacher war, mir die Machart eines Videos/Films vorzustellen oder auf der Couch zu hocken und mit Chips im Mund den Schauspieler für seine Inkompetenz zu beschimpfen, als dass ich selbst so tun müsste als ob. Wie ignoriert man diesen kleinen schwarzen Kasten, der zeitweise nur wenige Zentimeter vom Gesicht entfernt ist? Wie schafft man es, ernst zu bleiben und nicht daran zu denken, dass das verdammt nochmal nicht meine Schokoladenseite ist?

Aber es ging schließlich nicht um mich oder Olaf oder unsere bestechende Schönheit, sondern darum zu zeigen, welche Arbeit in der Lichtkunst notwendig ist, damit das Ergebnis am Ende einigermaßen zufriedenstellend wird.

Genau das war es nämlich: eine Inszenierung.

Das erste Bild war von den beiden gezeigten das einfachere in der Ausführung und entsprechend schnell im Kasten. Eigentlich das perfekte Foto — schnell gemacht und eindrucksvoll.

Reines Wunschdenken.

Es stimmt zwar, dass es relativ leicht und schnell aufzunehmen ist, aber dann ist hier nur vom Foto die Rede, nicht von der Filmaufnahme. Die Galileo-Crew war genauso unerfahren auf unserem Gebiet wie wir auf ihrem. Es war also prädestiniert, dass es zu Anfang etwas länger dauern würde, bis alle aufgetaut wären. Dieses etwas hat sich schließlich auf etwa fünf bis sechs Stunden hinausgezogen, ehe die Entstehung des Bildes aus verschiedenen Perspektiven eingefangen war. Noch bevor wir überhaupt das Motiv aufnehmen konnten, hatten wir den Ablauf bis zu fünf Mal für die Galileo-Kamera abgespielt — oder eher vorgespielt.

Für den späteren Zusammenschnitt wurden die einzelnen Schritte nacheinander aufgenommen, dazwischen allerdings erfolgten wieder Nahaufnahmen oder kurze Interviews, diese manchmal auch ohne Kamera — ja, auch solche Momente gab es; selten, aber es gab sie.

Was mich erstaunt hat, war die Einsatzbereitschaft des Teams. Unabhängig von der Drehdauer, des Hungers oder der Kälte, sie haben sich volles Zeug in ihre Arbeit gelegt. Wie auf dem Foto Outburst an der Spiegelung auf dem Boden zu erkennen ist, war dort eine riesige Pfütze im Raum, von mehreren Zentimetern Tiefe. Während der Nahaufnahmen von Olaf in Aktion stampfte der gute Ralf — in seine Arbeit vertieft — mitten durch den kleinen See, als wäre er Jesus, der nicht mehr wusste, wie man auf Wasser wandelte. Hinter sich zog er Miriam durch das Nass, die leider gar keine andere Wahl hatte, da das Mikrofon an der Kamera mit einem Kabel angeschlossen war und sie diesen flauschigen Koloss ständig mit sich trug. Beklagt hat sich aber keiner von beiden. Jedenfalls nicht lauthals.

Neben der Canon 5D Mark III, die als Filmkamera fundierte, wurden zusätzlich eine Go Pro und eine Drohne samt integrierter Kamera eingesetzt. Letztere nahm das Schauspiel aus der Vogelperspektive auf und verlieh dem gesamten Set eine noch professionellere Atmosphäre. Zumindest war das meine subjektive Meinung. Die Go Pro wiederum hat während der gesamten Darbietung mitgefilmt. Dieses Material würde später im Zeitraffer in den Beitrag eingepflegt werden, um den Prozess nochmal in einem Stück genauer zu zeigen.Endgültige Version von Outburst

Nach einer gefühlten Ewigkeit — fünf/sechs Stunden in der Kälte können sich manchmal noch länger anfühlen — nahmen wir die Vorrichtungen auseinander und packten wieder das Equipment zusammen. Schon vorbei? wird sich manch einer fragen. Bestimmt nicht. Das war nur notwendig, um von einer Halle in die nächste zu wandern. Es ist nämlich so: wir lassen unsere Utensilien nicht einfach an einem Platz liegen, wenn wir an einem Ort mehrere Räume nutzen wollen. Wir sind auf größerem Gelände wie Nomaden, die alles, was sie besitzen, in Sack und Pack bei sich tragen. Während ein Bild aufgenommen wird, haben die Sachen einen festen Platz im Raum. Dieser darf nicht im Blickfeld der Kamera sein, aber auch nicht zu weit von ihr entfernt. Meist bauen wir alles genau dahinter auf. Aber das kann von Ort zu Ort variieren. Sobald wir aber in Bewegung sind, hat alles andere gefälligst mitzukommen. So kann es — wenn wir mal nur zuzweit und ohne Hilfe sind — manchmal mit dem Umzug etwas länger dauern.

Für Red Lantern mussten wir jedenfalls den Raum wechseln, aber auch das Galileo-Team hatte mit den eigenen Sachen zu tun. Für einen kurzen Zeitraum war ziemlich viel Leben in den toten Räumen. Wir hatten uns alle an die Dunkelheit und die Geräusche, die hin und wieder von irgendwoher zu hören waren, gewöhnt und konnten uns frei im Gebäude bewegen. Mit all der Lichttechnik hätten wir aber genauso gut das gesamte Erdgeschoss hell erleuchten können — eventuelle Gespenster und Penner miteinbegriffen.Testaufnahme

Sobald wir uns ausgebreitet hatten, folgte eine Kaffee-Franzbrötchen-Pinkelpause. Mal ganz ehlich, nach stundenlangem Aufenthalt in einer Halle, die zu allen Seiten offenstand, wäre wohl jeder leicht, mittel oder ganz durchgefroren. Hatte ich erwähnt, dass der Wind durch die Halle fegte, als hätte Frau Holle nach langem mal wieder den Laubsauger angeschmissen?

Der neue Raum allerdings fühlte sich im Unterschied zum vorigen himmlisch warm an. Sämtliche Durchgänge, die geschlossenen werden konnten, wurden auch geschlossen. Mit den kaputten Fensterscheiben konnten wir allerdings nichts anstellen. Außer sie für unser Bild zu nutzen natürlich.

Nach kurzer Stärkung legten wir uns einen Plan zurecht. Diese Aufnahmen würden nicht so lange dauern, obwohl der Bildaufbau wesentlich komplizierter war als bei Outburst. Das Bild sollte eine Geschichte erzählen, doch diese musste selbstverständlich erst ausgedacht werden, ehe sie in den großen Raum gesetzt wurde und ihre Lichtfäden ziehen konnte. Aber, oh welch‘ Glück!, wir hatten all das schon am Abend zuvor erledigt. Wir sind bereits die Schritte gegangen, lange bevor unsere Begleiter sich überhaupt vorstellen konnten, wie das Bild letztendlich aussehen würde. Die Zeit, die wir dadurch einsparten, war nicht zwingend kürzer als die, die wir bereits für die Aufnahmen des ersten Bildes gebraucht hatten. Die Entwicklung von Red Lantern kostete uns am Abend davor mehrere Stunden. Stunden. Nicht eine Stunde. Nicht einmal zwei. Inklusive des aufwendigen Tools, das dafür benötigt wurde, brauchten wir fünfverdammtestunden für dieses Motiv. Beeindruckend? Bescheuert? Das ist hier jedem selbst überlassen, zu entscheiden, zu welcher Kategorie man uns zählen möchte. Aber das Ergebnis lässt sich dennoch sehen, wie ich finde. All diese Arbeit macht den Moment wieder wett, in dem man auf das Kameradisplay schaut und das fertige Bild sieht. Wenn ein stummes Wow! den eigenen Lippen entgleitet, haben wir alles richtig gemacht.

Diesmal spielten wir vor laufender Kamera eine „Trockenübung“ ab. So, wie das Bild letztlich mit Lichtern entstehen würde, bewegten wir uns durch den Raum, allerdings noch ohne Lampen und sprachen ein letztes Mal alles durch — für die Kamera versteht sich. Danach ging es aber auch schon los. Kein langes Fackeln, keine Nahaufnahmen, keine Dialoge aus verschiedenen Perspektiven.

Die Go Pro zeichnete wieder alles für einen späteren Zeitraffer auf, auch die Canon lief nebenbei. Es war befreiend, etwas so tun zu können, wie es getan werden musste. Kein Verstellen, kein So tun als ob, keine Kameralinse, um die man sich Gedanken machen musste.

Das heißt, fast …

Nachdem das Bild im Kasten war, ging es wieder von vorne los. Nahaufnahmen, Dialoge… Doch mittlerweile waren wir zu Profis auf dem Gebiet geworden. Erstaunlich, was man in so kurzer Zeit lernen konnte. 🙂

Allerdings bargen auch diese Aufnahmen einige witzige Momente, wenn ein Tool während einer Drehung an die Kamera schlug, weil Ralf — wieder sehr in die Arbeit vertieft — zu nah dran war, oder wenn eben dieser plötzlich genau da stand, wo man langlaufen müsste, um das Bild „echt“ nachzustellen. Ganz abgesehen von den ganzen Stolperfallen — die einem auch ein Bein oder das Genick hätten brechen können —, die überall im Raum lauerten, denn das ist immer eine Gefahr in Lost Places, standen wir uns also zusätzlich selbst im Weg.

Diese ganzen Holpersteine führe ich heute natürlich auf die Müdigkeit zurück. Wir hatten uns Mittags getroffen und arbeiteten bis (halb) elf Uhr abends. Wer wäre davon nicht kaputt? Umso mehr überraschte es mich, dass nach all den Aufnahmen plötzlich ein Interview mit uns beiden geplant war. Gegen ein paar Fragen hatten wir nichts einzuwenden, ganz und gar nicht. Diese aber spät am Abend zu stellen, nachdem wir uns stundenlang im Dreck gesuhlt hatten, fand ich dann doch etwas…hart. Wahrscheinlich hat sich Daniel beim späteren Zusammenschnitt der Bilder genau das gedacht, denn das Interview hat es nie in den eigentlichen Beitrag geschafft. Entweder sahen wir nicht danach aus, dass man unsere Gesichter noch vor der Primetime — also wenn Kinder noch wach waren — zeigen konnte, oder vielleicht klangen die Antworten auf die Fragen genauso, wie ich sie in Erinnerung habe: Blaghraharg. Oder so ähnlich.

Jedenfalls bedanken wir uns bei dem wunderbaren Film-Team — Daniel, Miriam und Ralf —, das offen, engagiert und mit Spaß an die Arbeit gegangen ist! Es hat uns viel Spaß gemacht, mit euch zusammenzuarbeiten und mal einen Einblick in eure Welt zu werfen. Es war eine toller Erfahrung! Vielen Dank für die Möglichkeit, unsere Gesichter auch mal im flachen Kasten zu zeigen und vor allen Dingen Menschen unsere Kunst näher zu bringen!Red Lantern

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